Texte wie aus dem Baukasten. Wo bleibt das Herz?

KI macht Schreiben effizient – aber oft auch seelenlos. Zwischen perfekt generierten Texten geht die persönliche Stimme verloren. Ein Plädoyer für mehr Bewusstheit im Schreiben: weniger Baukasten, mehr Haltung. Denn echte Texte brauchen Reibung.

Texte wie aus dem Baukasten. Wo bleibt das Herz?

Ich habe neulich einen Text gelesen. Perfekte Grammatik. Knappe Aussagen. Klarer Aufbau. Effizient geschrieben. Vermutlich von einer KI.

Und ich dachte: Wow, beeindruckend. Dann dachte ich: Und jetzt?

Der Text hatte alles – außer Seele.


Die Effizienz-Falle

Künstliche Intelligenz hat das Schreiben revolutioniert. Was früher Stunden brauchte, erledigt heute ein Prompt in Sekunden. Wir erhalten Texte, die gut klingen, flüssig lesbar sind und scheinbar „alles richtig machen“.

Aber genau das ist das Problem: Sie machen alles richtig. Und dadurch oft nichts mehr besonders.

Je einfacher es wird, Content zu erzeugen, desto mehr entsteht davon – und desto mehr verschwimmt die Grenze zwischen Content und Lärm.


Der Ghostwriter in uns selbst

Ich nutze KI-Tools wie ChatGPT regelmäßig. Sie helfen mir, Struktur zu finden, neue Blickwinkel einzunehmen, und manchmal auch, Blockaden zu lösen. Aber ich habe beobachtet: Je mehr mir die Maschine abnimmt, desto schwerer fällt es mir manchmal, meine eigene Stimme wiederzufinden.

Da steht dann ein perfekt formulierter Absatz – aber ich spüre nichts. Kein Ringen um das richtige Wort. Keine Energie. Kein Zweifel. Ein Text ohne innere Reibung. Wie ein Bild ohne Schatten.


Schreiben war mal ein Prozess

Ich denke da gerne zurück an meine Masterthesis.

Früher bedeutete Schreiben: Nachdenken. Streichen. Neu formulieren. Manchmal bis zur Frustration. Aber genau dadurch entstanden Texte, die nicht nur richtig, sondern echt waren.

Heute bedeutet Schreiben oft: Prompt eingeben. Generierten Text anpassen. Fertig. Klar, auch das kann ein nervenaufreibender Prozess sein. Aber im Grunde sieht der stark vereinfachte Prozess so aus.

Doch in dieser Effizienz steckt ein Risiko: Wir verlernen, wie sich das eigentliche Schreiben anfühlt.


Warum das ein Problem ist

Die Flut an KI-generierten Inhalten verändert nicht nur, was wir lesen. Sie verändert auch, wie wir denken.

Wenn der LinkedIn-Feed jeden Tag voll ist mit glatten Karriereweisheiten, generierten "5 Learnings aus XYZ"-Posts und perfekten Selbstinszenierungen – wie sollen wir dann noch erkennen, was wirklich echt ist?

Und wenn wir selbst immer öfter schreiben lassen – was bleibt dann von unserem Stil, unserer Haltung, unserer Stimme?


Ein Beispiel aus meinem Alltag

Ich habe kürzlich einen Text über KI in Social Media geschrieben. Der erste Entwurf kam von einer KI. Grammatikalisch sauber. Stilistisch okay. Aber beim Lesen dachte ich: Das bin nicht ich.

Also habe ich den Text gelöscht. Und nochmal von vorne angefangen. Langsamer. Rauer. Persönlicher. In einer konstruktiven Zusammenarbeit zwischen KI und mir.

Der Artikel war nicht perfekt. Aber er war wenigstens meiner. Das fühlte sich deutlich besser an.


KI ist kein Gegner – aber auch kein Autor

Ich glaube nicht, dass KI das Schreiben zerstört. Aber sie verändert unsere Beziehung zum Schreiben.

Wenn wir sie als Werkzeug nutzen, kann sie großartig sein: als Ideengeber, Strukturscout, Formulierungshilfe. Aber sie ist kein Ersatz für Reflexion, Haltung und eigene Erfahrung.

Denn: Gedanken entstehen nicht beim Prompten. Sie entstehen beim Denken. Beim Zweifeln. Beim Formulieren.

Und echte Texte – die, die hängen bleiben – brauchen genau das.


Die Stimme zwischen den Zeilen

Was macht einen Text lesenswert? Nicht nur Informationen. Sondern Persönlichkeit. Die Zwischentöne. Die Haltung. Die Verletzlichkeit.

Wenn alles klingt wie aus demselben Generator – warum sollte dann noch jemand deinen Beitrag lesen?

Gerade auf Plattformen wie LinkedIn – wo so viele von Personal Branding sprechen – ist es paradox: Wir wollen individuell wirken. Aber posten KI-generierten Einheitsbrei. Ist das nicht paradox?


Ein Plädoyer fürs bewusste Schreiben

Vielleicht müssen wir nicht weniger KI nutzen – sondern achtsamer.

  • Nutze KI als Sparringspartner – nicht als Ghostwriter.
  • Schreibe Rohfassungen selbst – und lass KI helfen, zu schärfen.
  • Nimm dir Zeit für die Frage: Was will ich wirklich sagen?
  • Erkenne den Unterschied zwischen einem gut geschriebenen Text – und einem, der etwas in dir auslöst.

Denn zwischen beidem liegt ein Unterschied. Und dieser Unterschied bist du selbst.


Heute entstehen Texte immer schneller. Aber vielleicht ist es gerade deshalb wichtig, wieder öfter langsam zu schreiben.

Nicht, weil wir es müssen. Sondern, weil wir es können. Weil unsere Gedanken es wert sind. Weil unsere Stimme zählt.


Und ich bin neugierig: Wie gehst du mit KI beim Schreiben um?

Und wie sorgst du dafür, dass dein Content trotzdem deiner bleibt?